Dieter Kleinpeter

...auf dass einem Hören und Sehen entstehe...

 

...auf dass einem Hören und Sehen entstehe... nennt sich die Bild-Installation von Cornelia Mittendorfer und die Klangperformance „Enter A Messenger, With Two Heads And A Hand – Stammelnde Heimat" von Konrad Rennert.

 

Was Sie hier sehen ist eine Serie von Bildern auf gefundenen, be- und überarbeiteten Notenblättern, was Sie hören werden ist eine darauf aufbauende musikalische Dekonstruktion.

 

Cornelia Mittendorfer haben es Zeichensysteme angetan, Schrift-Codierungen ebenso wie mathematische Strukturen - vielleicht auch eine Referenz an ihre zweite Profession, die Rechtswissenschaft. Auf Reisen, in fremden Kulturen beschäftigt sie sich mit Schrift- und Sprachsystemen, in ihrer bildnerischen Arbeit zeigt sich diese Obsession seit einiger Zeit in der Serie auf Notenblättern, die sie hier als visuellen Klangraum installiert hat. Herausgelöst aus dem Kontext des Notationssystems arrangiert sie einen Bild-Zeichen-Raum, der als Gesamtbild zu lesen oder im Detail wie Schriftzeichen zu decodieren ist.

Wir sind aufgefordert Bedeutungszusammenhänge zu konstruieren, zu finden, subjektiv zu behaupten oder aber – analog zu einer musikalischen Performance – den Gesamtklang in all seiner Komplexität zu ersehen und auf uns wirken zu lassen: auf dass uns Sehen entstehe ...

 

Aber auch Cornelia Mittendorfer musste sich den Raum erst erarbeiten, indem sie aus dem Fundus der Serie ausgewählt und ein nur an diesem Ort mögliches Bild geschaffen hat. Eine Art Bildcollage mit Komponenten, die losgelöst von ihrem Entstehungszusammenhang ein Ganzes aufbauen. Die Frage, ob und in welchem Kontext Bilder Zeichen sind - oder erst zufolge des Kontext-Verlustes ikonische Zeichen werden (wie dies in der Sprache der Semiotik heißt) - ließe sich hier sicherlich ausführlich erörtern und würde theoretische Exkurse nach sich ziehen, zu denen ich mich als Maler weder in der Lage noch veranlasst sehe. Und doch lassen sich Fragen nach der Bedeutung, nach dem Bezeichneten in diesem, wie auch in anderen Bildzusammenhängen nur schwer umgehen.

 

Die Künstlerin äußert sich in dem hier aufliegenden Text, der ihre Herangehens- und Arbeitsweise authentisch interpretiert, wie folgt dazu:

„Die gemeinte Mitteilung ist kein unmittelbarer Sinneseindruck mehr. Sie nimmt ihre Umwege über die Schönheit der Zeichen, die Beschaffenheit des Zeichenträgers, die Verständigkeit der Lesenden. Denn die Mittel der Verständigung sind nicht im Besitz von Bedeutung. Die Bedeutung wird ihnen zugeordnet.“

 

Auf Basis unserer individuell verschiedenen Seherfahrung eröffnen sich Möglichkeiten subjektiver Lesarten, ohne Anspruch auf Endgültigkeit und letztgültiger Entschlüsselung. Die verschiedenen Ebenen der gefundenen, bearbeiteten Notenblätter schaffen dafür Raum. Umgeben vom Nimbus des Vergangenen suggerieren sie Interpretationsmöglichkeiten, denen es nachzuspüren gilt.

Cornelia Mittendorfer reagiert in ihren zeichnerischen und malerischen Bearbeitungen auf die imaginierte Musik – sie ist in der Lage Partituren in Klangvorstellungen umzusetzen - und negiert diese gleichzeitig durch ihre spontane Art der Intervention.

 

Sichtbar bleiben beide Bedeutungs- und Zeitebenen, aus deren Überlagerung sich eine neue, autonome Bildebene konstituiert hat. Es sollte im Land der Übermalung nicht überraschen, wenn gefundenes Bild-Material interpretiert und bis zur Auslöschung bearbeitet wird. Die haptische Qualität des Papiers ist dabei ebenso Anknüpfungspunkt wie die Notation. Wie bei einer musikalischen Improvisation reicht auch die bildnerische Palette der Interventionen vom visuellen Stammeln bis zu komplexen Bild-Strukturen, die im Gesamten zu einer neuen Einheit gelangen. Notenbilder haben per se auch graphische Qualität, noch viel mehr zeitgenössischen Notationssysteme, die Ähnlichkeiten zu Bildsystemen moderner Kunst aufweisen.

 

Konrad Rennert setzt an dieser Stelle mit seiner Klangperformance ein.

Er betrachtet die von der Künstlerin hinzugefügten Zeichen und Übermalungen "als eigenständige, invasive, auch subversive, doch letztlich meist mit dem Text verschmelzende Partiturelemente, die die ursprüngliche musikalische Aussage als Ganze grundlegend hinterfragen, und in einen neuen Kontext stellen."

 

In seiner künstlerische Arbeit ziehen sich Performances wie ein roter Faden zwischen Improvisation im musikalisch-experimentellen Bereich über intensive Beschäftigung mit Musik/Tanztheater bis zur Interpretation der revolutionären Lectures von John Cage bei Festivals wie Wien Modern.

Improvisation und Komposition beeinflussen einander und spiegeln sich ineinander: die Grenzen werden zunehmend fließend.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ... dass ihnen Hören und Sehen entstehe… – viel Vergnügen bei der nun folgenden Performance und einen intensiven Abend.

 

Zu: ...So that you may look and listen...| I want to dance, 10. 3. - 23. 3. 2007, Denkraum, 1050 Vienna